Wie berichtet wurde, soll das Thema Glyphosat eine prominente Rolle in den Sondierungsgesprächen zur Bildung einer neuen Bundesregierung gespielt haben. Bemerkenswert dabei ist, dass sich die Debatte einzig um die Frage der möglichen Krebs erregenden Wirkung von Glyphosat zu drehen scheint. Aus wissenschaftlicher Sicht ist es wichtig, dass politische Entscheidungsträger wie auch die Öffentlichkeit verstehen: mit hoher Wahrscheinlichkeit gehen die Gefahren von Glyphosat weit über Krebserkrankungen hinaus. Die wissenschaftliche Literatur enthält umfangreiche Hinweise darauf, dass solche Gefahren bestehen. Dieser Beitrag stellt zusammenfassend einen möglichen toxischen Effekt vor, durch den Glyphosat die menschliche Gesundheit empfindlich stören und so zu einer Vielzahl schwerer heimtücksicher Erkrankungen führen kann.
Von Stephanie Seneff
Glyphosat ist der aktive Wirkstoff des weit verbreiteten Herbizids Roundup, dessen landwirtschaftliche Verwendung in den vergangenen zwei Jahrzehnten sowohl in den USA als auch in Europa und weltweit exponentiell zugenommen hat. Gleichzeitig hat es einen alarmierenden Anstieg in der Häufigkeit einer langen Liste ernsthafter Erkrankungen und Gesundheitsstörungen gegeben wie Diabetes, Adipositas, Autismus, Alzheimer, Parkinson, Nierenkrankheiten, Darminfektionen, Zölliakie, Krebs der Bauchspeicheldrüse, der Blase, Schilddrüsenkrebs, Schlafstörungen, u.v.m.
Auch wenn ein gleichzeitiger Anstieg alleine kein Beweis für Kausalität ist, bleibt festzustellen, dass kein anderes Mittel so weit verbreitet in der Landwirtschaft eingesetzt wird. Ebenfalls gibt es kein Mittel, dessen Mengensteigerung so eng mit der Zunahme bei diesen Erkrankungen korreliert. Dass sie stark zugenommen haben und weiter zunehmen, ist unbestreitbar, und für dieses beunruhigende Muster gibt es eine Ursache. Aus meiner Sicht gibt es überzeugende wissenschaftliche Hinweise darauf, dass Glyphosat einen ungewöhnlichen und schleichenden Mechanismus kumulativer Toxizität nutzt, der in der Lage ist, diesen ursächlichen Zusammenhang zu erklären.
Anerkannt ist allgemein, dass die akute Toxizität von Glyphosat im Vergleich zur jener anderer Chemikalien Vorteile aufweist. Dabei wird allerdings übersehen, dass Glyphosat in der Lage ist, die Synthese von Proteinen, den Bausteinen allen Lebens, zu stören, weil es sich analog zur proteinogenen Aminosäure Glycin verhält. Wer sich die Mühe macht, die existierende Forschungslage zu betrachten, wird feststellen: eine unerwünschte Einbindung von Glyphosat an jenen Stellen, wo Proteine Glycin verwenden, würde die Entstehung jener Erkrankungen ebenso erklären wie ihre Zunahme, die im gleichen Maße angestiegen ist, wie die Verwendung von Glyphosat auf Hauptnutzpflanzen. Zwar ist noch nicht zweifelsfrei bewiesen, dass es so ist, weil entsprechende Versuche zur Beweisführung noch durchgeführt werden müssten, aber es könnte so sein. Und es ist meiner Ansicht nach die überzeugendste Erklärung für die Krise, welche wir aktuell im Gesundheitswesen in den USA und – leicht zeitversetzt – in Europa erleben.
Studien zeigen: Glyphosat verbleibt im Körper und reichert sich an
Anders als allgemein angenommen zeigen sogar die vom Hersteller Monsanto selbst durchgeführten ersten Studien, dass ein kleiner Anteil des über die Nahrung aufgenommenen Glyphosats im Körper verbleibt und sich im Gewebe anreichert, vor allem in den Knochen. Kollagen, in den Knochen üppig vorhanden, ist das häufigste Protein im menschlichen Körper, dessen Proteinmasse zu etwa einem Viertel aus Kollagen besteht. Es ist seinerseits hochangereichert mit Glycin, das mehr als 20 Prozent der Aminosäuren des Kollagenmoleküls ausmacht. Es ist somit mehr als wahrscheinlich, dass beim Aufbau von Kollagen Glyphosat irrtümlich dort verbaut wird, wo eigentlich Glycin gebraucht würde. Damit wäre die Dreifachhelix des Kollagenmoleküls empfindlich beeinträchtigt, was sich negativ auf Elastizität, Flexibilität und die Fähigkeit, Wasser zu binden auswirken müsste. Zumindest die USA erleben derzeit eine Epidemie des Mißbrauchs von Schmerzmitteln. Es steht zu vermuten, dass Glyphosat durch seine Fähigkeit, die Gesundheit von Knochen und Gelenken an dieser Stelle zu zerstören und so chronische Schmerzen in Nacken, Rücken, Schultern, Hüfte, Knien etc. zu verursachen, einen maßgeblichen Beitrag dazu geleistet hat.
Glyphosat erhöht Kalziumaufnahme in Zellen
Studien an verschiedenen Arten von Zellen haben gezeigt, dass Glyphosat die Aufnahme von Calzium in die Zelle erhöht, woraus unter anderem Schäden des Gehirns, Herzrhythmusstörungen und verringerte Fruchtbarkeit männlicher Spermien resultieren können. Der Calciumkanal enthält mindestens vier nicht translatierte Glycinreste, die, wenn sie genetisch durch etwas anderes ausgetauscht werden, erhöhte Calciumaufnahme bewirken und zu schweren Erkrankungen führen können. Beispielsweise kann eine Mutation in nur einem dieser Glycinreste zum Timothy Sydrom führen, einer Entwicklungsstörung, die sich durch krampfartige Anfälle, angeborene Herzfehler, Herzrhythmusstörungen und frühem Kindstod äußern kann. Überleben Kinder mit diesem Befund das zweite Lebensjahr, wird bei ihnen später häufig Autismus diagnostiziert.
Das Chronische Erschöpfungssydrom ist ein weiteres Beispiel. Diese inzwischen häufige Erkrankung war praktisch unbekannt, bevor Glyphosat in die Nahrungskette gelangte. Myosin, ein für die Kontraktion essentielles Protein in Muskeln, hat ein hoch konserviertes Glycin an Rest 699. Wird Glycin hier durch Alanin ausgetauscht, verliert der Muskel 99 Prozent seiner Kontaktionsfähigkeit. Der alarmierende Anstieg von Diabetes, allgemein eine Folge westlicher Ernährungsgewohnheiten, kann sehr gut mit gestörten Insulinrezeptoren erklärt werden. Dieser Rezeptor benötig Glycin, um zur Zellwand migrieren zu können, wo das Insulin empfangen werden muss. Auch Lipase, ein Enzym des Fettstoffwechsels, hat essentielle Glycine, die von Glyphosat gestört werden könnten. Adipositas wäre die Folge. Zölliakie und ganz allgemein die Intoleranz von Gluten nehmen in den USA stark zu, wo man Glyphosat inzwischen routinemäßig zur künstlichen Reifebeschleunigung direkt vor der Ernte auf den Weizen spritzt. Mehrere Enzyme der Bauchspeicheldrüse, darunter Trypsin, Pepsin und Aminopeptidase P, benötigen Glycin zur Verdauung von Gluten. Ihre Funktion wird gestört, wenn statt dessen Glyphosat eingebaut wäre. In Trypsin, Pepsin und Lipase von Schweinen ist Glyphosat bereits nachgewiesen worden.
Pflanzen entwickeln Resistenzen, indem sie Glycin durch Alanin ersetzen
Den wahrscheinlich stärksten Hinweis darauf, dass Glyphosat für Glycin in Proteinen synthetisiert wird, erhalten wir aus der Tatsache, dass mehrere Bakterien und auch Pflanzen unabhängig voneinander Resistenzen gegen Glyphosat entwickelten, indem sie die DNA eines Proteins dahingehend mutiert haben, den Glycinrest zu entfernen und an der Stelle statt dessen Alanin aufweisen. Dieser Glycinrest gehörte zum Enzym EPSP Synthase. Genau dieses Enzym im Shikimatweg wird von Glyphosat blockiert, wodurch die Wirkung für Pflanzen (und Mikroorganismen) tödlich ist. Das Glycin befindet sich in der Falte, die das Substrat Posphoenol Puyruvat (PEP) enthält. Man geht davon aus, dass Glyphosat wirkt, indem es PEP in jener Falte ersetzt. Die Erklärung hierfür lautet, dass Glyphosat das Glycin in dem Peptid ersetzt und die Methyl Phosphonylgruppe, die Glyphosat ebenfalls besitzt, in die Falte eindringt und das PEP verdrängt. Eine bakterielle Mutation des Enzyms hat sich bereits als so resistent erwiesen, dass es selbst höchsten Konzentrationen von Glyphosat widersteht.
Risiken durch Glyphosat müssen unabhängig untersucht werden
Die Bevölkerung muss darüber Aufgeklärt werden, dass das mit der Verwendung von Glyphosat verbundene Risiko sehr viel höher ist als nur jenes einer möglichen Kanzerogenität. Damit werden keinesfalls die Gefahr und der Schrecken gemindert, den eine Krebserkrankung beinhalten, sondern es unterstreicht die Tatsache, dass sehr viel mehr verneidbares individuelles Leid, sehr viel höherer volkswirtschaftlicher Schaden und enorme Umweltrisiken mit der weiteren Verwendung von Glyphosat verbunden sein würden, wenn sich diese beschriebenen Gefahren als zutreffend erweisen sollten.
Aufsichtsbehörden und Gesetzgeber sollten davon ausgehen, dass dieser schleichende kumulativ toxische Effekt von Glyphosat tatsächlich besteht, denn die Hinweise aus der Wissenschaft darauf sind mehr als deutlich. Ich empfehle zwei mögliche Maßnahmen: Erstens sollte die weitere Verwendung von Glyphosat einstweilen untersagt werden, um gründliche und unabhängige Untersuchungen zur Überprüfung dieser ebenso beunruhigenden wie naheliegenden Beobachtungen durchzuführen. Die zweite nicht minder dringende Maßnahme wäre die Bereitstellung von ausreichenden Haushaltsmitteln für unabhängige Forschungseinrichtungen, die in der Lage sind, solche Studien zu erstellen.
3 Gedanken zu „Ist Glyphosat ein schleichendes Gift, weil es sich wie die Aminosäure Glycin verhält?“