"Tomateneffekte" in den Nachrichten

Wissen Sie, was ein Tomateneffekt ist? Mediziner sprechen von einem solchen Effekt dann, wenn eine tatsächlich wirkungsvolleBehandlungsmethode ignoriert wird, weil sie nach der herrschenden wissenschaftlichen Meinung „keinen Sinn“ macht. Die Forscher Goodwin und Goodwin haben Anfang der 1980er Jahre eine Reihe solcher Fälle aufgedeckt, in denen „gestandene Wissenschaftler“ nur weil sie die tatsächlichen Wirkungs-Zusammenhänge nicht verstanden hatten, erfolgversprechende Behandlungsmethoden ignoriert und „auf das falsche therapeutische Pferd“ gesetzt hatten. So wie die Menschen eingangs des 18. Jahrhunderts, die die Tomate für giftig hielten, nur weil einige pflanzliche Verwandte der roten Vitamin-Bomben giftig waren.

Ein solcher Tomateneffekt liegt nun wieder in den Nachrichten vor: Anfang der Woche wurde eine verbreitet, wonach nun bewiesen sei, dass Vitamin-C-Prophylaxe sinnlos sei. Andere Medien griffen die Nachricht im Sommerloch dankbar auf und erzeugten so einen gigantischen Tomateneffekt in den Medien. Weil Vitamine keine Arzneimittel sind, haben sie auch keine Wirkung. Schliesslich haben dies auch Forscher herausgefunden. Sie sind sogar in den Meldungen zitiert. Ist doch klar, oder?

Nun ja. Wir haben hier in meinen Augen viel eher ein Paradebeispiel für journalistische Laxheit in der Recherche komplexer Themenbereiche zu tun. Sonst hätten wir in den Meldungen erfahren, dass es sich a) um keine neue Studie handelt, b) erst recht nicht um eine einzige neue Studie, sondern c) um eine Aktualisierung einer seit 2004 laufenden Meta-Studie im Cochrane Register of Systematic Reviews. Ergebnisse dieser Studie sind nur in der Zusammenfassung frei zugänglich und werden im Detail nur entgeltlich durch das Unternehmen Wiley Interscience abgegeben, was nicht eben wissenschaftliche, sondern klar wirtschaftliche Interessen offenbart. Nur wer bereit ist, 25 US$ zu zahlen, kann sich dort auch über von den Verfassern selbst angezeigte „potentielle Interessenkonflikte“ informieren, sowie Einzelheiten der Studie nachlesen.

Und nur wer bereit ist, diesen Preis zu zahlen, kann dann verifizieren, ob sich der Ko-Autor Harri Hemilä von der Universität Helsinki tatsächlich wie von den Nachrichtenagenturen zitiert geäussert hat, oder ob sein angebliches Zitat

„Es macht keinen Sinn, 365 Tage im Jahr Vitamin C zu nehmen“; sagt Autor Harri Hemilä.

eine journalistische Kreation aus dem veröffentlichten Abstract ist, in dem es heisst:

The failure of vitamin C supplementation to reduce the incidence of colds in the normal population indicates that routine mega-dose prophylaxis is not rationally justified for community use.

Schliesslich macht es einen großen Unterschied, ob es „keinen Sinn macht, 365 Tage im Jahr Vitamin C zu nehmen“ oder ob es „rational nicht begründbar“ ist, Vitamin-C-Propylaxe „in Mega-Dosen“ zu nehmen.

Zweifel nähren sich insbesondere deswegen, weil der Autor Hemilä in seiner Dissertation von 2006 zeigt, dass es einen unbestreitbaren und nachgewiesenen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Vitamin C und der Dauer und Schwere von Erkältungskrankheiten gibt, wie von Nobelpreisträger Linus Pauling postuliert:

„It is shown in this thesis that these new trials consistently found that regular vitamin C supplementation shortens the duration and alleviates the symptoms of the common cold, partly confirming Pauling’s hypothesis.“

Hemilä berichtet zudem von einer „befremdlichen“ Tatsache: Die medizinischen Lehrbücher, die einen Zusammenhang zwischen leugnen, gründen sich auf fehlerhafte und voreingenommene Rezensionen.

„In this thesis it is shown that the most influential reviews on vitamin C and the common cold cited in the major textbooks contain numerous erroneous statements, and that they even present data that are inconsistent with the original study reports. Consequently, the negative statements in the medical textbooks are
based on biased reviews.“

Hamilä konnte sogar zeigen, dass eine der einflussreichsten Studien zu Vitamin C bei Erkältung selbst falsch ausgewertet wurde.

„It is also shown that the most influential vitamin C common cold trial carried
out at the National Institutes of Health in the USA and published in JAMA in 1975 was erroneously analyzed.“

Zwar stellt Harri Hemilä fest, dass die vorliegenden Studien keinen Zusammenhang zwischen der vorbeugenden Einnahme von Vitamin C und der Häufigkeit von Erkältungskrankheiten in der westlichen Welt zeigen können. Gleichwohl darf bezweifelt werden, dass Hemilä daher diesen Zusammenhang ausschliesst. Im Gegenteil: Er betont, dass es sinnlos sei, die vorliegenden Studien (mit neuen Meta-Analysen) nochmals zu hinterfragen. Statt dessen seien neue Forschungen von Teilgruppen wünschenswert, da insbesondere Kinder bisher nicht in Studien beaobachtet worden sind.

„A major finding in this thesis is heterogeneity in the effects of daily vitamin C and vitamin E supplementation. While there is no evidence that ordinary people might benefit from supplementation of these two vitamins, the heterogeneity in effects indicates that further study should be carried out to identify and characterize the population groups or living conditions in which these vitamins might be beneficial.“

Es sind solche neuen und modernen Studien, die zeigen können, wie recht Linus Pauling hatte mit seinem Konzept einer „Orthomolekularmedizin“, die auf ausreichende Zufuhr von Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen abstellt. Nur so können Mangelerscheinungen vermieden und Krankheiten vorgebeugt werden. Und genau in diesem Sinne ist es nicht sinnvoll, isolierte Vitamingaben einzunehmen, erst recht nicht, wenn sie synthetisch gewonnen wurden. Vitalstoffe entfalten ihre positive Wirkung nur im natürlichen Verbund bei dem auch die wichtigen Sekundärstoffe enthalten sein müssen. Am Besten frisch auf den Tisch. Auf jeden Fall aber natürliche Qualität!

Veröffentlicht von

Uwe Alschner

Uwe Alschner, Dr. phil. M.A., Traumdoc, Big Five for Life® Coach, ist begeisterter Blogger und Coach. Die Beiträge drehen sich vorwiegend um die Themen Eigenverantwortung, Gesundheit und Persönlichkeitsentwicklung.

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